Das Gedenken an die Opfer des Holocaust
Flucht -Vertreibung - Gewalterfahrung
im 3. Reich und HEUTE
von Dieter Münster, Sprecher des Arbeitskreises Integration
Die Anfrage von Bürgermeister Andreas Metz an den AK Integration Ilvesheim sagt JA, beim heutigen Gedenken mitzuwirken, haben wir sehr gerne aufgegriffen.
Opfer von Flucht und Vertreibung in Folge des Zweiten Weltkrieges zu benennen – so am Weltflüchtlingstag, beim Holocaust-Mahnmahl in der historischen Mitte von Berlin oder heute hier in der Gemeindbücherei und an vielen anderen Orten, erfährt dadurch ihre Legitimität.
Erinnerungen aus Erzählungen in der Familie wurden in mir wach, die sich mir einprägten: Eine schreckliche Vertreibung aus Prag, Transport im überfüllten Güterwaggon, zusammen mit meiner Mutter und Oma, ein Ankommen nach Tagen schließlich im Auffanglager Neckarzimmern. Es folgte unsere Zwangs-Einquartierung in einen privaten Haushalt in Sandhausen. Nicht immer zur Freude und oftmals auch gegen erbitterten Widerstand der Eigentümer.
< Badens schrecklichster Schreck, der neue Flüchtlingstreck! >
nicht etwa eine Parole aus diesen Tagen von Pegida, sondern sie stammt von einem Fastnachtsumzug aus dem badischen Lahr Ende der Vierziegerjahre!
Ähnliche Ängste auch Flüchtlingsströme und Routen über Land und Meer, nach Europa, bevorzugt Deutschland. Dabei sind die Flüchtlingszahlen gering im Vergleich zur Nachkriegszeit:
Allein nach Westdeutschland kamen nach dem Zweiten Weltkrieg rund zehn Millionen Menschen, nicht nur so genannte Reichsdeutsche aus Ostpreußen, Schlesien oder Pommern, sondern auch Deutsche von der russischen Wolga, aus dem Baltikum, aus Böhmen oder Rumänien und Jugoslawien sowie aus Donauschwaben. Eine Mischung von Menschen, die das Schicksal des Heimatverlustes und eine Affinität zur deutschen Sprache und Kultur teilten.
Ohne Hab und Gut, für immer.
Fleiß und Arbeitskraft, der Wille für einen Neuanfang, zeichneten die angekommenen Flüchtlingsfamilien aus. Hilfreich natürlich der vom Staat geförderte Wiederaufbau.
In wenigen Jahren veränderte sich durch diesen Zuzug, wie alle Städte und Gemeinden, auch Ilvesheim nachhaltig:
Der Wohnungsbau bewirkte eine Zunahme der Einwohnerzahlen, stärkte die Struktur, erlaubte neue kommunale Einrichtungen, das Arbeitsleben, auch die Landwirtschaft profitierten, wie das gesellschaftlichen Leben insgesamt.
Die Vertriebenen und Landsmannschaften vereinigten sich im BdV / SL, weckten Aufmerksamkeit, hielten die Erinnerung an die alte Heimat und Bräuche wach, fassten schnell Fuß im lebendigen Orts- und Vereinsgeschehen, präsentierten sich mit Veranstaltungen, auch im Gemeinderat!
Dieses sich hervorragende Einbringen und Einleben, gerade auch der Folgegeneration, funktionierte so gut, dass sich die Vereinigung inzwischen wegen Überalterung selbst und im Einvernehmen auflösen musste. Eine Verschmelzung, die nicht besser gelingen konnte!
Die aktuelle Flüchtlingslage
Die besonderen Herausforderungen durch die Flüchtlingssituation 2015 und 2016 wurden als gesamtstaatliche Aufgabe angegangen. Das deutsche föderale System verlangt danach, dass alle staatlichen Ebenen sich ihrer Verantwortung stellen. Das Grundgesetz weist jedoch die grundsätzliche Zuständigkeit und daran anknüpfend die Finanzierungsverantwortung für die Aufnahme und Betreuung von Asylbewerbern den Ländern zu. So sind Unterbringung, Verteilung und Versorgung von Asylsuchenden sowie die Betreuung der unbegleiteten Minderjährigen Aufgaben der Länder, des Kreises und der Kommunen. Davon abgeleitet, daher in der Verantwortung der Gemeinde, den entsprechenden Wohnraum für die vom RNK zugewiesenen Flüchtlinge vor- und bereit zuhalten, bewohn- und nutzbar zur Verfügung zu stellen und zu gewährleisten.
Von der Gemeinde über eine Bürgerversammlung initiiert, stellt sich der Arbeitskreis INTEGRATION ILVESHEIM sagt JA im Ehrenamt der Aufgabe, das Willkommen im Ort und das Zurechtfinden mit vielem Neuen, ob Einzelperson oder Familie, zu ermöglichen.
Über 60 Mitbürger*Innen sind als PATEN*INNEN mit sehr viel Empathie und Verständnis unterwegs, um Brücken zu bauen. Wege des Miteinanders aufzuzeigen und um Problemfelder zu minimieren. Die Unterstützung aus Kreisen der Bürgerschaft ist beeindruckend und sehr hilfreich!
Aber auch kritische Stimmen finden Zuspruch und Gehör: Offene Grenzen betrachten inzwischen Teile unserer Gesellschaft, aber auch in der EU, nicht mit Wohlwollen – Mauern und Zäune, nicht nur gedanklich, sind entstanden!
Glaubt man, dass Zuwanderung einen Gewinn für Deutschland darstellt und dass wir durchaus auch etwas stolz auf unsere humanitäre Leistungsbereitschaft sein können, so entwickelt man doch bisweilen einen etwas zwiespältigen Gefühlshaushalt. Bei jeder Schreckensmeldung denkt man: Hoffentlich war’s nicht wieder ein Moslem, ein Flüchtling gar! Ein Spiegelbild für eine eigentlich nicht nachzuvollziehende Freude, die mancher Ausländerfeind kundtut, wenn es dann doch einer war! Schon das Reden von < Muslimen >, statt von Nachbarn und Freunden, Kollegen und Mitbürgern, ist ein Sieg der Gegner einer offenen Gesellschaft.
Man sollte einfach anerkennen:
Durch die Integration in Europa, durch den Welthandel, durch moderne Kommunikationswege, durch Wandlung zu einem Einwanderungsland ist Deutschland weltoffener, freundlicher und wettbewerbsfähiger geworden. Weitere Anstrengungen von allen Seiten sind notwendig nicht nur von der Politik
Denn die Gesellschaft sind wir Alle!
Lassen Sie mich aus dem Buch aus dem Jahre 1981 < DIE FLÜCHTLINGE > von Günter Böddeker, Publizist und Journalist und langjähriger stellvertretender Chefredakteur der < Welt am Sonntag > eine Passage von Winston Spencer Churchill eine Passage zitieren, vorgetragen 1945 vor dem britischen Unterhaus:
" Besonders beschäftigen mich in diesem Augenblick, die Berichte, die uns über die Bedingungen zukommen, unter denen die Vertreibung und der Auszug der Deutschen aus dem neuen Polen durchgeführt werden. Vor den Krieg lebten acht bis neun Millionen Menschen in diesen Gebieten....
Über eine riesige Anzahl fehlt jede Nachricht. Wohin haben sie sich gewandt, was war ihr Schicksal? Die gleichen Zustände können sich in veränderter Form bei der Ausweisung einer großen Anzahl von Sudetendeutschen und anderer Deutscher aus der Tschechoslowakei wiederholen.....
Es ist nicht ausgeschlossen, daß eine Tragödie ungeheuren Ausmaßes sich hinter dem Eisernen Vorhang, der Europa gegenwärtig entzweischneidet, abspielt.... "