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MM: "Fürchtet euch nicht!"

Kinder und Narren reden die Wahrheit, sagt man. Dieser Tage verkleiden sich die Menschen bunt und genießen die „Narrenfreiheit“. Ich auch. Und heute nutze ich diesen Platz mal für ein paar Klarstellungen.

Erstens: Blondinen sind nicht dümmer. Die Haarfarbe hängt nicht mit der Intelligenz zusammen. Die Augenfarbe auch nicht mit dem Charakter. Hat man ja früher gesagt: „Grüne Augen, Froschnatur, von der Liebe keine Spur.“ Kann man fast drüber lachen heute. Und doch werden Menschen in Deutschland jeden Tag aufgrund ihrer Haarfarbe, Augenfarbe, Hautfarbe benachteiligt.

 

Zweitens: Es stimmt nicht, dass „die Juden“ den Herrn ans Kreuz geschlagen haben. Jesus war Jude, seine Eltern, seine Freundinnen und Freunde, viele seiner heimlichen Unterstützerinnen, seiner glühenden Verehrer, und, ja, auch viele seiner Feinde. Gerade die Geschichten von Jesus zeigen doch, dass Zugehörigkeit zu einer Religion oder einem Volk nichts darüber aussagen, wie sich Menschen verhalten werden. Die einen so, die anderen so. Gott hat sich die Mühe gemacht, die Menschen alle verschieden zu erschaffen. Nicht alle Spanier heißblütig und alle Deutschen humorlos. Sondern jeder Mensch ein Unikat. Jeder Mensch ein „Ebenbild Gottes“. Wer Vorbehalte gegen Jüdinnen und Juden hat, wer alle Schwarzen in einen Topf wirft, wer meint, aufgrund von Äußerlichkeiten etwas über andere zu wissen, handelt gegen Gott.

Die Welt ist bunt

 

Drittens: Schwule sind keine Gefahr für Kinder und Familien. „Die Schwulen“ leben auch kein zügelloses Leben. Die meisten Menschen wünschen sich eine stabile Beziehung, empfinden es als großen Segen, den Partner zu finden, mit dem das gelingt. Manchmal sind das zwei Frauen miteinander oder zwei Männer. Die Welt, die Gott uns geschenkt hat, ist bunt. Daran ändert sich auch nichts, wenn wir Lehrerinnen verbieten, davon zu erzählen.

 

Viertens: „Die Armen“ sind NICHT selbst schuld an ihrer Lage. Nicht in unserem reichen Land und nicht auf der Welt. Auch hier gilt: Vom Wegschauen verschwindet das Problem nicht. Die Bibel ruft zur Solidarität mit den Armen auf, zur Gerechtigkeit.

 

Und schließlich: Es ist nicht christlich, „die Befürchtungen der Leute ernst zu nehmen“. Es ärgert mich, wenn Politiker das als Selbstverständlichkeit predigen. Und daraus schließen, man müsse vermeiden, was Befürchtungen weckt. Angst vor Nordafrikanern? Weg damit. Abschieben. Angst vor dem Alter. Weg damit. Falten liften und die schon Faltigen in Heime. Angst vor der „Islamisierung Europas“? Weg damit, Moscheenbau verbieten.

 

Immer wieder heißt es in der Bibel: „Fürchtet euch nicht!“ Das ist für mich unverzichtbarer Teil der frohen Botschaft: Befürchtungen können überwunden werden. Angst kann sich in Mut verwandeln. Anreiz zum inneren Wachstum sein. Es ist nicht christlich, Ängsten auszuweichen. Christlich ist der Ruf: „Fürchtet euch nicht!“

 

Zivilcouragetrainings helfen, die Angst vorm Hinschauen und Helfen zu überwinden. Persönliche Kontakte helfen, die Angst vor „den Fremden“ zu verringern. Politisches Engagement hilft gegen die Befürchtung „die da oben“ machten sowieso, was sie wollen.

 

Und manchmal hilft die Narrenkappe, zu sagen, was man wirklich denkt.

 

Ahoi!

 

Pfarrerin Anna Maria Baltes, Petrusgemeinde Wallstadt (in Elternzeit)