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TEILHABE nicht nur für Flüchtlinge

WOHNEN

 

Ilvesheimer wohnen im Durchschnitt auf 50m² pro Person. Das klingt gut, ist eigentlich auch komfortabel. Die Zahl ist aus dem Jahr 2015 und dürfte sich inzwischen sogar erhöht haben. Aber es ist eben nur der Durchschnitt. In Wirklichkeit gibt es Ilvesheimer, die deutlich mehr Fläche zur Verfügung haben und leider auch andere, die mit sehr beengten Verhältnissen zurecht kommen müssen. Flüchtlinge in Ilvesheim leben übrigens auf sehr kleiner Fläche. Aktuell sind es pro Flüchtling 12,7 m² und berücksichtigt man die für dieses Jahr noch zusätzlich angekündigten Flüchtlinge, dann muss ein Flüchtling Ende dieses Jahres bei uns im Durchschnitt mit etwa 8,5 m² auskommen. Das ist nicht nur sein persönlicher Raum, sondern das beinhaltet auch alle anderen Flächen (Küche, Bad, Flur, Wohnzimmer). Und, es ist genau wie bei den anderen Bürgern. Es ist der Durchschnitt – manche werden mehr haben, aber einige auch weniger.

 

 

 

ARMUT

 

Wenig Platz geht oft einher mit wenig Geld. In Baden Württemberg sind im Jahr 2017 11,8% armutsgefährdet, im Rhein Neckar Kreis war die Zahl 2014 bei 19%. Ilvesheim liegt wohl irgendwo dazwischen. Als armutsgefährdet gilt eine Person in Deutschland, die mit weniger als 60 % des mittleren Einkommens auskommen muss. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sagt dazu:„ es liegt hier keine Armutsgefährdung vor, sondern es handelt sich um tatsächlich erlebte Armut, weil selbstverständliche Teilhabe an dieser Gesellschaft mit diesem Betrag nicht möglich ist“.

 

 

 

Was sind das für Menschen? Oft handelt es sich, bei uns in Ilvesheim wie in ganz Deutschland, um (Langzeit-) arbeitslose, Aufstocker, 14,4% der Menschen über 65 Jahre, 15,6% der Rentner (16,9% bei Frauen), 43% der Alleinerziehenden und die große Mehrheit der Migranten. Flüchtlinge stellen momentan 1% der Bevölkerung dar – und sie werden, da viele noch jung sind, irgendwann mal hoffentlich nicht mehr arm sein. Aber was ist mit all den anderen in Ilvesheim? 2015 hatten wir schon einen Anteil von 20,1% der Einwohner mit einem Alter von 65 Jahren und älter. Für 2030 sind 39,3% prognostiziert. Und die Armutsspirale dreht sich in diesen Jahren noch weiter. Das klingt so weit weg, aber wie schnell sind 12 Jahre vergangen - gerade Ältere wissen das sehr gut.Wir werden immer Menschen haben, denen es nicht so gut geht. Aber wir sollten diese Menschen am normalen öffentlichen Leben teilhaben zu lassen:

 

 

 

MOBILITÄT

 

Eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln hin und zurück von Ilvesheim nach Mannheim kostet 5,20 Euro, nach Heidelberg 8,20 Euro, nach Weinheim 11,60 Euro. Vor allem Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, können sich das nicht allzu oft leisten und sind deshalb von einer echten Teilhabe ausgeschlossen. 

 

Das sehen auch die Städte Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen so und geben an Bedürftige das sogenannte Sozialticketzu verbilligten Preisen ab. Allerdings nur an Bürger, die in den genannten Städten leben. Bewohner des Rhein-Neckar-Kreises gehen leer aus.

 

Zwar beantragen Vertreter der SPD, der Grünen und der Linken seit Jahren die Einführung eines Sozialtickets, scheitern aber regelmäßig am Widerstand der CDU, der Freien Wähler und der FDP.

 

Somit bleiben genau die oben genannten Geringverdiener, Arbeitslose, Aufstocker, Rentner, Alleinerziehende und die Asylbewerber und Flüchtlinge im wahrsten Sinne des Wortes „auf der Strecke“.

 

 

 

Wir haben in Ilvesheim etliche Asylbewerber, die auch jetzt, nach Jahren, immer noch auf den Ausgang ihres Asylbegehrens warten. Für sie wird z.B. so der Besuch eines eigentlich kostenlosen Deutschkurses unbezahlbar. Für Alleinerziehende (91% Frauen) sieht die Bertelsmann Stiftung das Armutsrisiko sogar bei 68%, der Anteil der Rentner wird rapide steigen, der von Flüchtlingen sinken. Die vom RNK befürchtete Kostenexplosion bei einem Sozialticket durch Flüchtlinge hat zumindest in den Städten in der Umgebung nicht stattgefunden – es gab einen moderaten Anstieg.

 

 

 

 Quellen: Die Region im Blick“/Statistisches Landesamt BW), Destatis, ARD,ZDF, Bundesregierung, Bertelsman

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Umzug nach Ilvesheim

 

 

 

 

 

Der Rhein Neckar Kreis hat für 2018 innerhalb seiner Ziele auch einen Bereich „Integration von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte“. Darin enthaltene Ziele sind unter anderen:

 

 

 

  • Verringerung der Arbeitslosenquote bei Personen mit Zuwanderungsgeschichte, vor allem Neuzugewanderte
  • Verringerung der Ausbildungsabbruchquote bei Personen mit Zuwanderungsgeschichte, vor allem Neuzugewanderte

 

 

 

Hier ein Beispiel:

 

 

 

Ein junger Flüchtling kommt 2015 zu uns nach Weinheim. Das war eine schwierige Zeit. Nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für unsere Behörden. Und damit sie’s alle leichter haben, haben sich damals viele freiwillige Helfer zu Arbeitsgruppen formiert. Um den Flüchtlingen zu helfen, aber wie unser Alltag zeigt, auch um die Arbeit der Behörden etwas zu vereinfachen. Er „wohnt“ dann 10 Monate in der Winzerhalle in Lützelsachsen. Das war auch eine schwierige Zeit. Die Halle konnte anfangs nicht richtig geheizt werden, so dass das „wohnen“ bei niedrigen einstelligen Temperaturen stattfand. Aber, wir wollen nicht meckern. Wir alle waren auf diesen Ansturm damals nicht vorbereitet. Er kam danach in die „vorläufige Unterbringung“ in Weinheim. Normalbreites Bett statt schmales Feldbett – und sogar mit einer Matratze. Und nicht in einer Halle, sondern in einer Wohngemeinschaft mit anderen. Purer Luxus also. Allen Beteiligten von damals sei Dank, dass sie all das, unter vielen Schwierigkeiten, möglich gemacht hat. Sie schafften das!

 

 

 

Er ist dann 5 Mal Vorladungen zur Anhörung über seinen Asylantrag gefolgt. Erst beim 5. Mal kam er wirklich dran. Er hat Deutsch gelernt – mit etwas staatlicher Hilfe, aber vor allem mit viel Unterstützung von Ehrenamtlichen und Eigeninitiative. Und mit Erfolg. Er trat in einen Sportverein ein als aktiver Volleyballer. Und – der Gipfel für ihn schien erreicht zu sein, als er letztes Jahr im September eine Lehrstelle bekam. Er ist jetzt richtiger Azubi, bezahlt Sozialbeiträge und Steuern und liegt dem Steuerzahler nicht mehr auf der Tasche. Von der Ausbildungsvergütung bezahlt er seinen kompletten Unterhalt und auch die Kosten für die Unterbringung. Er ist mobil mit Fahrrad und zahlt auch noch für die Schülerhilfe (110 Euro), weil er ja die Ausbildung erfolgreich beenden will. Er fiel richtiggehend auf durch seinen extrem ausgeprägten Willen zur Integration. Ein Paradebeispiel dafür wie es gehen kann, wenn alle an einem Strang ziehen.

 

 

 

Im Februar kommt Post. Es hätte sein Bescheid über den Asylantrag sein können – immerhin wartet er inzwischen seit fast 3 Jahren darauf. Aber nein – ein Schreiben von der Ausländerbehörde. Die will von ihm, dass er innerhalb von 3 Tagen nach Ilvesheim zieht. Auf Nachfrage der Patin ergibt sich, dass die Strecke zu Schule, Beruf, Sport, Freizeit und zu seiner Patin „angemessen“ ist. Mit dem Fahrrad wird es allerdings schwierig, diese Strecke z.T. mehrmals täglich zu bewältigen, vor allem im Winter. Aber mit dem VRN ist es ja ganz einfach. Aber dazu braucht man eine Monatskarte, und da er in Ilvesheim auch deutlich mehr die Unterbringung bezahlen muss, wird das richtig schwierig. Zeitlich ist es auch ein Problem. Laut Fahrplan hat er ja an den Tagen, an denen er Sport macht nur noch 5 Stunden zum Schlafen übrig.

 

 

 

Der Arbeitgeber hat allerdings keinen Umzugsurlaub genehmigt, da ihm die Vorwarnzeit von 2 Tagen zu kurz war. Also wurde ein neuer Termin festgesetzt und er kam erst 4 Wochen später.

 

  

 

Das Integrationskonzept des RNK (noch in Vorbereitung) mit 116 Seiten will bei Verlegungen künftig den „individuellen Integrationsverlaufs der jeweiligen geflüchteten Person“ berücksichtigen. Verlegungen sollen möglichst ausschließlich unter Berücksichtigung von Ausbildung, Arbeit und Sprachförderung, der jeweiligen Geflüchteten koordiniert werden. „Bei Bedarf werden auch ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer hinzugezogen.“ So soll das gemeinsame „Leitziel“, der bestmöglichste Integrationsprozess erreicht werden.

 

 

 

Wie lange werden wir auf die Umsetzung dieses Konzepts warten müssen?

 

 

 

Wir hoffen jedenfalls inständig, dass der Junge durchhält. Integration trotz Politik und Behörden. Oder vielleicht tut sich ja doch noch eine andere Möglichkeit auf. Es wäre schade um ihn. Wir werden versuchen zu helfen.

 

  

 

Ein Einzelfall? Leider nein. Wir haben noch andere Neuzuzüge mit ähnlichen Situationen. Einer hat beschlossen seine Arbeit zu kündigen. Er kann sich einen Arbeitsplatz nach dem Umzug nicht mehr leisten. Statt in unser Sozialsystem einzuzahlen wird er wieder zum (Sozialhilfe-) Bezieher werden.

 

 

 

Wir wünschen allen Frohe Ostern! Auch im Namen unserer Flüchtlingskinder.