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Das Leben in einer Ilvesheimer Flüchtlings-WG

Der Einstieg

Lebensnotwendig ist das WLAN, denn damit kann der Kontakt mit Freunden und Familienangehörigen gepflegt werden. In den meisten Unterkünften gibt es, dank Vorarbeit der Gemeinde, WLAN schon am Tag des Einzugs. Am Bildtelefon zeigt man den Freunden die neue Bleibe und bekommt von der Frau die Kinder gezeigt, die man schon seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Sie sagen zwar „Hallo Papa“, aber man merkt immer mehr, dass sie das ihrer Mama zuliebe machen. Zu dem Mann auf dem kleinen Bildschirm haben sie oft schon die Gefühlsbindung verloren. Und er merkt es auch, aber will es sich selbst nicht eingestehen. Träumen, das kann einem keiner verbieten und das verlernt man auch nicht. Obwohl sie mit ihren meist jungen Jahren mehr durchgemacht haben, als ihre Seele verträgt.

 

Von einer Ausbildung träumen manche, nachdem sie hoffentlich jetzt ganz schnell Deutsch lernen. Doch das erweist sich dann oft schwieriger als gedacht. Arbeiten dürfen sie eigentlich, aber nach einer Anerkennung werden sie vom Jobcenter erst mal zum Deutschunterricht verpflichtet. Das dauert dann ca. 1 ½ Jahre und bei 5 Schultagen in der Woche ist eine Arbeit meist ausgeschlossen. Alleine der Weg zur Schule dauert im Extremfall bis zu über 1 Stunde einfach. Das kann bedeuten, morgens um halb sieben zur Straßenbahn und abends um halb sieben hundemüde aus der Straßenbahn zurück in die Unterkunft. Dann muss noch eingekauft, Essen gekocht und gespült werden. Schlimmer ist es, wenn – wie bei vielen unserer Ilvesheimer Flüchtlinge – überhaupt noch keine Entscheidung gefällt wurde. In der Presse lese ich von jetzt durchschnittlich „nur noch“ 7 Monaten Bearbeitungsdauer. Von unseren Flüchtlingen weiß ich aber, dass manche weit über 2 Jahre warten mussten.

 

Dann kommen die Abende – und die sind den Hausaufgaben gewidmet. Oder es ist ein Brief eingegangen, den man nicht versteht. Der aber Sorgen macht, weil Beträge darin erwähnt sind. Dann versucht man Rat bei Zimmergenossen zu bekommen oder schickt ein Foto des Briefs per WhatsApp an den Paten – sofern man einen hat – und bittet um Hilfe.

 

Anderen geht es schlechter, eventuell haben sie nur eine „Duldung“, wissen also nicht ob und wie lange sie in Deutschland bleiben können. Sie bekommen keinerlei Hilfe von staatlicher Seite bei Integrationsthemen wie Deutschunterricht, hängen zum Teil schon seit Jahren in dieser „Hängeposition“ und wissen auch gar nicht, ob sie sich hier Mühe zur Integration geben sollen. Hier versuchen wir Ehrenamtlichen mit einem Angebot zum Deutschunterricht zu unterstützen. Das ist nicht einfach, weil die Vorkenntnisse total unterschiedlich sind. Sie bekommen kein Hartz 4, wie die anderen, sondern weniger. Viele von ihnen haben bereits vor der Ankunft in Ilvesheim Arbeit gefunden. Jobs, die kein Deutscher machen will. Zum Beispiel „auf Abruf“ in der Gastronomie – also in der Küche – mit täglich komplett verschiedenen Arbeitszeiten, die man erst kurz zuvor erfährt und gerne auch mal an 7 Tagen in der Woche. Es wird zwar Mindestlohn bezahlt, aber die Stundenzahl wird nicht erfasst. Sie bekommen also immer 38 Stunden bezahlt, arbeiten aber nach unserer Kenntnis bis zu 55 Stunden pro Woche. Und diese Überstunden werden nicht immer bezahlt. 

 

Durch den Umzug nach Ilvesheim entsteht oft eine Situation, die den Weg zur Arbeit sehr zeitaufwendig und teuer, oder manchmal sogar unmöglich macht. Dann zeigen sie keinerlei Verständnis und wollen von uns wissen, warum sie zu so etwas gezwungen werden. Natürlich ist uns bewusst, dass der Grund in einer gerechten Verteilung innerhalb des Kreises zu suchen ist. Aber dies einem Flüchtling mit unzureichenden Deutschkenntnissen so zu erklären, so dass er es versteht ...  ist wirklich schwierig. Und wenn er es dann wirklich versteht, muss das nicht bedeuten, dass er Verständnis dafür hat, dass gerade er darunter leiden muss. Neuerdings gibt es hier Bewegung in der Sache. Flüchtlinge können jetzt, wenn auch sehr bedingt, Einfluss auf den Ort der Anschlussunterbringung ausüben. Allerdings haben nicht nur sie, sondern auch die Gemeinden Wünsche. Und die sollen auch Berücksichtigung finden. Ganz frei von Problemen wird sich hier also auch die Zukunft nicht gestalten.